Der ist ein Narzisst:in – aber was ist das überhaupt und wie erkennt man es wirklich?

Klar, inzwischen sagt uns Narzissmus allen etwas. Doch seien wir uns vorweg bewusst, dass wir alle ein klein wenig davon in uns tragen. Doch was unterscheidet diesen Anteil an «ich schaue mich gerne im Spiegel an und zeige mich» von einem manipulativen, nicht empathischen Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung? Ich meine nicht einfach nur ein klein wenig Eitelkeit oder Selbstbewusstsein, sondern Verhaltensweisen, welche für das Gegenüber sehr belastend sein können.

Zudem möchte ich die Frage nach der Entstehung eines solchen ernstzunehmenden Spektrums aufdecken. Es ist mir ein persönliches Anliegen, zu diesem Thema mit dem Wissen, welches ich mir angeeignet habe, auf- und zu erklären. Wohlbemerkt, dass ich weder ein Diplom noch sonstige Zertifikate im Bereich Psychologie habe, sondern lediglich ein Mensch bin, der sehr intensiv mit dem Thema in Berührung kam – in der Vergangenheit und erst kürzlich wieder, als mir bewusst wurde, wie verbreitet solche Individuen plus ihre vermeintlichen Opfer sind.

Wie entsteht eine narzisstische Persönlichkeit?
Es ist mir wichtig zu betonen: Diese Erklärung soll das Verhalten nicht verharmlosen oder entschuldigen. Wer narzisstisch handelt, verletzt oft andere Menschen. Gleichzeitig lohnt es sich, zu verstehen, wie solche Muster entstehen – denn nur so können wir sie einordnen.

Narzisstische Strukturen entwickeln sich in der Regel nicht plötzlich, sondern haben tiefe Wurzeln, oft schon in der Kindheit. Man kann sich das wie einen unsichtbaren Schutzpanzer vorstellen, der sich Schicht für Schicht bildet:

  • Kindliche Erfahrungen
    Wenn ein Kind zu wenig echte Zuwendung erfährt – sei es durch Vernachlässigung, ständige Kritik oder auch durch übermäßige Idealisierung – entsteht ein Ungleichgewicht. Um trotzdem gesehen zu werden, entwickelt es Strategien: stark wirken, bewundert werden wollen, keine Schwäche zeigen.

  • Traumata und Verletzungen
    Werden zentrale Bedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit und Anerkennung nicht erfüllt, hinterlässt das Spuren. Aus Selbstschutz baut sich eine „Fassade“ auf, die nach außen oft kühl, abweisend oder kontrollierend wirkt, um im Inneren nicht erneut verletzt zu werden.

  • Familiäre Weitergabe
    Solche Muster können sich über Generationen fortsetzen. Eltern oder Bezugspersonen geben – bewusst oder unbewusst – ihre eigenen Verletzungen und Schutzstrategien an Kinder weiter. Manche sprechen hier auch von einer „energetischen Weitergabe“.

Kurz gesagt: Hinter Narzissmus steckt selten zu viel Selbstliebe, sondern oft ein tiefer Mangel an innerer Sicherheit und Anerkennung. Was im Außen als überhöhtes Ego erscheint, ist meist ein Versuch, innere Unsicherheit zu überdecken.

Wie kann man sich das Innere eines Narzissten:in vorstellen?
Durch die obenerwähnten Erfahrungen haben Narzissten oft ein großes Defizit an Selbstwert und versuchen, dieses mit stetiger Bestätigung von außen auszugleichen. Dabei wird das Mitgefühl für andere Menschen nicht nur eingeschränkt, sondern kann sich im Gegenteil sogar manipulativ auswirken.

Ihre Wahrnehmung entspricht nicht der Realität und ist stark durch eigene Bedürfnisse plus innere Verletzungen verzerrt. Im Fall einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung bezieht sich alles auf sie selbst und ihr großes Ego.

Sie sehen sich im übertragenen Sinne als die Besten von allen und sind deshalb nie schuld. Sie machen keine Fehler und sie verstehen Anschuldigungen dazu nie. Die Betroffenen sehen das Problem nicht und suchen sich selten bis gar nie Hilfe. Deshalb wirkt es generell so, als sei Narzissmus schwer diagnostizierbar.

Viele entwickeln raffinierte Strategien, um andere zu beeinflussen – unabhängig vom IQ.

Warum verhalten sie sich so?
Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NPS) ergötzen sich geradezu am Ärger anderer, weil sie dadurch eine gewisse Macht und Kontrolle spüren. Wenn jemand emotional reagiert, fühlen sie sich überlegen. Es nährt ihr fragiles Selbstwertgefühl.

Weil sie von Aufmerksamkeit leben, ist keine Reaktion – also auch keine Bestätigung – die größte Strafe, denn es bedroht ihr Gefühl von Wichtigkeit.

Da sie wenig innere Stabilität haben, ziehen sie emotionale Energie aus ihrem Umfeld, um das innere Leeregefühl zu füllen. Das kann für den entsprechenden Gesprächspartner anstrengend und erschöpfend sein.

Wie erkenne ich ein solches Verhalten und kann mich davor schützen?
In der heutigen Zeit, wo Online-Dating-Plattformen als klassische Methode der Partnersuche gelten, ist es schwer abzuwägen, ob man einen einfach unglaublich einfühlsamen und selbstbewussten potenziellen Partner datet – oder ob da etwas nicht stimmt. Denn zu verstehen ist auch, dass Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung unglaublich gut darin sind, auf Dich einzugehen, Deine eigenen Unsicherheiten zu finden und diese durch ihr Verhalten zu stillen.

In der sogenannten Bonding-Phase zeigen sie noch nicht ihr wahres Gesicht. Wobei Dir aber trotzdem schon die Warnsignale leuchten sollten. Eine kurze Checkliste untenstehend:

  • Redet ständig über sich selbst und zeigt wenig echtes Interesse an Dir.

  • Gibt nie Fehler zu und schiebt die Schuld immer auf andere.

  • Überhäuft Dich am Anfang mit Aufmerksamkeit (Love Bombing), zieht sich später aber zurück oder wertet Dich ab.

  • Verdrehte Deine Wahrnehmung („Das bildest Du Dir ein“) – Gaslighting.

Nicht jeder, der über sich redet oder selbstbewusst wirkt, ist gleich Narzisst. Es geht um Muster und Intensität. Was aber das Allerwichtigste bleibt: Hör auf Dein inneres Gefühl. Was passiert mit Dir während der Begegnung und danach? Fühlst Du Dich nicht wohl, sondern eher unsicher? Bist Du müde, erschöpft oder stets verwirrt nach einem Gespräch?

Was sagt eine Beziehung zu einem Narzissten:in über Dich aus?
Mir ist bewusst, dass diese Frage provokant klingt – und für Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, auch schmerzhaft sein kann. Deshalb: Es geht hier nicht um Schuld. Niemand sucht sich Manipulation oder Missbrauch freiwillig aus.

Und doch kann eine Begegnung mit einem narzisstischen Menschen ein Spiegel sein: Wo hast Du selbst Deinen eigenen Wert vielleicht nicht genug geschützt? Wo hast Du Grenzen nicht klar gesetzt?

Das heißt nicht, dass das Verhalten des Gegenübers in irgendeiner Form verharmlost wird – im Gegenteil. Psychische Manipulation ist ernst zu nehmen und kann genauso einschneidend sein wie körperliche Gewalt. Wenn Du solche Erfahrungen gemacht hast, suche Dir bitte professionelle Unterstützung und sprich darüber.

Gleichzeitig darfst Du diese Erfahrung auch als Anlass sehen, Deinen eigenen Selbstwert liebevoll zu überprüfen. Denn je mehr Du Dich selbst liebst und respektierst, desto schwerer wird es für andere, Dich kleinzumachen.

Abschluss
Dieser Beitrag soll zu einem besseren Verständnis führen – und gleichzeitig klarstellen, dass jede Begegnung im Leben, auch wenn sie schmerzhaft ist, ein Schritt in die eigene Selbsterkenntnis sein kann. Du bist genug, so wie Du bist, und verdienst Beziehungen, die Dich nähren und stärken. Zugleich soll dieser Text keine Abwertung von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sein, sondern erklären, wie solche Muster entstehen und welche Wirkung sie haben können.

Sei reich an Mut,
Sandra

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Von fremdgesteuert zu selbstbestimmt – was dahintersteckt